Im Blickpunkt

„Menschen suchen das Hässliche“: Der Österreicher, der die erfolgreichste Mod für Age of Empires 2 entwickelt hat

Mit 250.000 Downloads führt der 30-jährige Elias die Liste der meistgenutzen AoE2-Mods an. Im Gespräch mit ArchaeoGames erzählt er von seiner Arbeit, ethischen Grundsätzen und Grenzen.

Selbst für Menschen, die sehr überlegt diesen Begriff wählen, ist Age of Empires 2 ein echter Klassiker: Ursprünglich 1999 erschienen, hat sich dieses Strategiespiel bis heute in den Köpfen und auf den Festplatten vieler seiner Fans halten können. So umgibt diesen Titel auch nach über 20 Jahren eine leidenschaftliche Online-Community, die regelmäßig internationale Turniere organisiert und umfangreiche Erweiterungen programmiert. 

Aktivster und experimentierfreudigster Teil dieser Fanbase ist die Modding-Community: Hunderte Mods sind in den letzten beiden Dekaden erschienen, die mal Kleinigkeiten am Originalspiel verändern, mal tiefgreifende Änderungen am Design und Balancing des Strategiespiels vornehmen. Trotz dieser breiten Auswahl, ist eine dieser Mods seit Jahren uneingeschränkt die beliebteste Erweiterung für einen Großteil der AoE2-Fans: „Enhanced Blood“ mit derzeit rund 250.000 aktiven NutzerInnen (Stand 10.01.2020).

Die Änderungen, die „Enhanced Blood“ am Spielerlebnis vornimmt, sind im Vergleich zu vielen anderen Mods minimal und rein kosmetisch: Blutspritzer und offene Wunden erscheinen kontrastreicher und farbintensiver, was den sonst etwas sterilen Schlachtfeldern von Age of Empires 2 mehr Dramaturgie, Immersion, sogar einen gewissen Realismus verleiht — das zumindest sagt der Österreicher Elias, der mit ArchaeoGames über seine Arbeit als Modder gesprochen hat. Basierend auf dem Feedback der NutzerInnen wagt der 30-Jährige eine Prognose, woher die Beliebtheit seiner Mod rührt, die er unter seinem Nickname „Silent Ape“ anbietet:

„‚Enhanced Blood‘ macht Kämpfe bedeutungsvoller und schwerwiegender, man könnte fast sagen: emotionaler. Das Resultat des Kampfes ist augenscheinlicher. Auch ist oft von stärkerer Immersion und ‚Realismus‘ die Rede. Und ich würde behaupten, das selbst Storytelling eine gewisse Rolle dabei spielt: Immer wieder beschreiben NutzerInnen, wie sie nach einer gewissen Zeit zurück auf das Schlachtfeld blicken und dort noch immer die Überreste eines vergangenen Kampfes entdecken.“

Der 30-jährige Elias arbeitet als Mitarbeiter in der technischen Dokumentation. Daneben ist er mit den letzten Seiten seiner Diplomarbeit beschäftigt und bemüht sich außerdem derzeit darum, die Zertifizierung als Technischer Redakteur zu erwerben.

Motiviert vom Erfolg von „Enhanced Mod“ veröffentlichte Elias mittlerweile den spirituellen Nachfolger „Enhanced Mod 2“, der die kontraststarken Blutfarben um deutlich brutalere Sterbe-Animationen der Pixeleinheiten ergänzt. Wo zuvor Bogenschützen und Kriegselefanten wie vom Blitz getroffen zu Boden fielen, spritzt nun Blut in wilden Fontänen durch die Luft.

Als grenzüberschreitend oder sogar gewaltvoyeuristisch empfindet Elias, der im echten Leben als Mitarbeiter in der technischen Dokumentation arbeitet, seine Mod aber nicht: 

„Es hängt von einer Vielzahl an Faktoren ab, ob ich Gewaltdarstellungen in Videospielen für akzeptabel halte oder nicht. Für mich gehören Videospiele generell gesprochen zur Kunst. Wenn Filme, Musik, Gemälde oder Schriftwerke Kunst sein können, macht es nur Sinn diesen Standpunkt auch für Videospiele zu vertreten. (…) Für mich müssen Gewaltdarstellungen zum Spielkonzept passen, sie müssen eine gewisse Atmosphäre schaffen oder die Immersion stärken.“

Und in den Augen des Österreichers trifft das auch auf die „Enhanced Blood“-Mods zu – ganz im Gegensatz zu einigen anderen Themen und Schlagworten, die Elias mit seiner Arbeit niemals auch nur berühren wolle: Rassismus, jegliche Art von sexueller Gewalt, Diffamierung sexueller Orientierungen oder von Minderheiten, Folter, wie der 30-Jährige im Interview mit ArchaeoGames aufzählt.

Mehr als 100 Stunden Arbeitszeit

Die Arbeit, die Elias in beide Blut-Mods gesteckt hat, ist beachtlich: Mehr als 2000 Einzelbilder habe er für „Enhanced Blood“ bearbeitet, alles von Hand, ganz ohne automatisierte Arbeitsschritte. Der Nachfolger „Enhanced Blood 2“ kostete ihn derweil bis heute über 100 Arbeitsstunden. Angesichts der alten Grafikengine von Age of Empires 2 – die kürzlich erschienene Definitive Edition mit neuer Engine einmal außen vorgelassen – muss Elias bei seinen Mods pixelgenau arbeiten und hat nur ein kleines Farbspektrum zur Verfügung. Doch genau das reizt den Österreicher auch so sehr daran:

„Was mich schon immer am Modding fasziniert hat, ist das kreative Arbeiten mit den Limitationen eines Spiels. Meine Arbeit besteht darin, bereits vorhandene Grafiken zu ersetzen oder zu verändern. Ich muss mich also den bereits angelegten Funktionen des Spiels anpassen und in diesen strengen Rahmenbedingungen versuchen etwas zu erstellen. So kann ich beispielsweise in Age of Empires 2 nicht beeinflussen aus wie vielen Einzelbildern eine Animation besteht oder wann und wo sie verwendet wird, ich kann lediglich beeinflussen wie diese konkrete Animation aussieht.“

Für Elias, der seine Modding-Karriere mit The Elder Scrolls 3: Morrowind begonnen hat, ist diese Arbeit außerdem ein Weg, die Funktionsweise eines Spiels besser zu verstehen – und dieses Wissen dann wieder in neue, umfangreichere Mods fließen zu lassen:

„Ein sehr gutes Beispiel hierfür ist meine Mod ‚Enhanced Sinking‘, die jedem Schiff eine einzigartige Sink-Animation verleiht. Im Original besitzt jedes sinkende Schiff dieselbe generische Animation. Nachdem ich mir angesehen hatte, wie das Spiel diese Animation verwendet, stellte ich fest, dass fast jedes Schiff eine eigene Animation-Datei besaß und sie lediglich alle gleich aussahen. Kurzerhand passte ich jede Datei dem jeweiligen Schiff an, wodurch nun fast jedes Schiff eine einzigartige Animation aufweist. Ich musste also zunächst nachforschen, testen und verstehen wie das Spiel in diesem Fall funktionierte, um dann schließlich in diesem Rahmen etwas kreatives auf die Beine zu stellen.“

Geld verdient Elias mit seinen Mods nicht. Zwar hat er eine Patreon-Seite, wo ihn Fans und SpielerInnen unterstützen können – wirklich in den Vordergrund rücken will der 30-Jährige dieses Thema aber nur sehr ungern: „Ich habe zwar Patreon, mir ist es generell jedoch wichtiger, Zeit in das Modden an sich zu investieren und meinen NutzerInnen etwas zu bieten, als die gleiche Zeit in das Promoten meiner Patreon-Seite zu stecken. (…) Nicht zuletzt ist es natürlich auch sehr belohnend und motivierend, Dinge zu erstellen, durch die die Leute noch mehr Freude am Spiel haben können.“

Wenn euch die Arbeit von ArchaeoGames gefällt, könnt ihr dieses Projekt auf Steady unterstützen: Hier entlang!

Dom Schott hat Archäologie studiert und schreibt heute als freier Journalist besonders gerne über spannende Online-Communities, Netzkultur und seine zwei Kater.

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