Mit recht hoher Wahrscheinlichkeit wird 2020 ein neues Assassin’s Creed erscheinen. Nachdem die Serie zuletzt ins Alte Ägypten und Antike Griechenland reiste, soll nun die nächste Station laut einer Reihe von Leaks im hohen Norden liegen. Den gleichen Gerüchten zufolge soll dieser neue Teil Assassin’s Creed: Ragnarok heißen und uns mit der „Welt der Wikinger“ konfrontieren.
Ich habe diese Gerüchte zum Anlass genommen, zwei ArchäologInnen und einen Historiker nach ihren Wünschen und Erwartungen für das nächste Assassin’s Creed zu fragen — insbesondere was der Umgang des Entwicklerteams von Ubisoft mit der Geschichte und Geschichtsbildern angeht.
Andrew Reinhard ist Archäologe und erlangt dieses Jahr den Doktortitel mit einer Arbeit über Archaeogaming — eine wissenschaftliche Disziplin, die er selbst bekannt gemacht und über Jahre hinweg mit seiner Arbeit geprägt hat. 2016 und 2017 führte er ein internationales Forschungsteam in den virtuellen Weltraum von No Man’s Sky, um Siedlungen der Community zu dokumentieren. Teile seiner Ergebnisse lassen sich auf seinem Blog archaeogaming.com nachlesen.
Andrew Reinhard
„Was auch immer Ubisoft vorhat: Ich hoffe, dass sie Historiker und Archäologen mit einspannen werden, die nicht nur als Berater für pädagogisch wertvolle Features wie den Museums-Modus eingesetzt werden, sondern auch beim Design von Quests und der Spielwelt insgesamt mitwirken.
AC: Origins und AC: Odyssey gelang weitestgehend der Spagat zwischen einer annehmbaren Darstellung der Antike und Spielspaß. Wenn Ubisoft das wieder hinkriegt, ohne aber Quests anzubieten, in denen wir Artefakte stehlen oder sonstwie als Grabräuber auftreten müssen, dann bekommen wir ein exzellentes Spiel vorgesetzt, das zudem auch ethische Werte vertritt.“
Andrew Reinhard spricht hier einen sehr spannenden Punkt an: Bisher erlaubte uns jedes Assassin’s Creed, antike Heiligtümer, Grabstätten und andere kultische Orte auszurauben und leerzuräumen.
Insbesondere im Fall von Assassin’s Creed: Odyssey und Origins stellte uns das allerdings immer wieder vor ein logisches Problem: In beiden Spielen sind die ProtagonistInnen eindeutig als ehrfürchtig vor den Göttern charakterisiert, die kultische Traditionen wahren und göttliche Strafen fürchten. Trotzdem können wir mit ihnen Gräber plündern und Heiligtümer um ihre Kostbarkeiten erleichtern. Ein reflektierter Umgang mit der Grabraub-Thematik würde Assassin’s Creed also auch in Hinblick auf die Logik der eigenen Spielwelt weiterbringen.
Dr. Jane Draycott unterrichtes Römische Geschichte und Archäologie an der Universität Glasgow und leitet dort außerdem das Forschungsprojekt „Games and Gaming Lab“, das historische Schauplätze und Geschichtsbilder in Videospielen dokumentiert und analysiert.
Dr. Jane Draycott
„Mit AC: Origins hat Ubisoft bereits meine kühnsten Träume wahr werden lassen (ich forsche über das griechisch-römische Ägypten), aber ich denke, dass das spätantike Konstantinopel bzw. Byzantium ein fantastisches Setting wäre — vielleicht während der Herrschaft von Kaiser Konstantin, als er das Christentum zur Staatsreligion des Römischen Reiches machte und die Hauptstadt von Rom nach Konstantinopel verlegte.
Da gab es damals eine Menge Konflikte innerhalb der kaiserlichen Familie, Aufstände von ‚Heiden‘ und politische Ränkespiele. Außerdem wird das östliche Kaiserreich und die Spätantike generell von Filmen und Serien eher stiefmütterlich behandelt. Schließlich würde dieses Setting eine schöne Brücke zu älteren AC-Spielen schlagen: So soll beispielsweise Kaiserin Helena nach Jerusalem gereist sein und einige Hinterlassenschaften von Jesus entdeckt haben.“
Während das nordische Setting laut Gerüchten eher gegen einen Ausflug ins spätantike Konstantinopel spricht, bin ich persönlich sehr angetan von der Vorstellung, wieder einmal in diese Stadt zurückzukehren. Klar, Konstantinopel war in der Welt von Assassin’s Creed schon mehrfach ein Schauplatz — nie aber während der Spätantike, die sich laut Jane Draycott als Zeitrahmen offenbar ganz wunderbar für ein neues Spiel der Reihe eignen würde.
Bob Whitaker ist Professor für Geschichte an der Technischen Universität in Louisiana. Daneben spricht er in seinem Podcast „History Respawned“ regelmäßig mit ForscherInnen und ExpertInnen über Geschichtsbilder und Geschichtsrezeption in Videospielen, darunter Assassin’s Creed, Civilization und Crusader Kings.
Bob Withaker
„Ich muss sagen, dass mir das Setting des nächsten Assassin’s Creed — angeblich ja die nordische Welt — weder besonders aufregend noch besonders uninteressant erscheint. Ich denke, ganz grundsätzlich wünsche ich mir aber vor allem, dass das Spiel die Tradition aufrecht erhält, nach Release eine Discovery Tour anzubieten, wie es nun schon bei AC:Origins und AC:Odyssey der Fall war. Es ist wohl immer leicht, über die Darstellung von Geschichte in diesen Spielen zu meckern, aber die Discovery Tour gibt Ubisoft eine Möglichkeit, die schiere Menge an Arbeit und Recherche, die für diese Spiele notwendig war, mit den Fans zu teilen — und gleichzeitig interessierte Spieler über die wahren, historischen Begebenheiten dieser fiktiven Geschichten entdecken zu lassen.
Auf spielmechanischer Ebene freue ich mich sehr auf den Multiplayer. Die bisherigen Mehrspielermodi dieser Spieleserie erschienen mir spaßig und innovativ und ich hoffe, dass Ragnarok diese Tradition fortsetzen wird.“
Tatsächlich gehörte auch für mich die Discovery Tour zu den ganz großen Highlights der beiden letzten AC-Spiele — auch wenn die virtuellen Rundgänge in beiden Ablegern didaktisch eher vorsintflutlich organisiert waren: So kann der Spieler nur von Station zu Station laufen und dabei den Erzählungen eines Sprechers aus dem Off lauschen. Wirkliche Möglichkeiten zur Interaktion während dieser Rundführung gibt es nicht. Hier kann Ubisoft nachbessern und die Möglichkeiten des Mediums nutzen, um die Discovery Tour zu mehr als nur einem virtuellen Audioguide zu machen.
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Mit recht hoher Wahrscheinlichkeit wird 2020 ein neues Assassin’s Creed erscheinen. Nachdem die Serie zuletzt ins Alte Ägypten und Antike Griechenland reiste, soll nun die nächste Station laut einer Reihe von Leaks im hohen Norden liegen. Den gleichen Gerüchten zufolge soll dieser neue Teil Assassin’s Creed: Ragnarok heißen und uns mit der „Welt der Wikinger“ konfrontieren.
Ich habe diese Gerüchte zum Anlass genommen, zwei ArchäologInnen und einen Historiker nach ihren Wünschen und Erwartungen für das nächste Assassin’s Creed zu fragen — insbesondere was der Umgang des Entwicklerteams von Ubisoft mit der Geschichte und Geschichtsbildern angeht.
Andrew Reinhard
Andrew Reinhard ist Archäologe und erlangt dieses Jahr den Doktortitel mit einer Arbeit über Archaeogaming — eine wissenschaftliche Disziplin, die er selbst bekannt gemacht und über Jahre hinweg mit seiner Arbeit geprägt hat. 2016 und 2017 führte er ein internationales Forschungsteam in den virtuellen Weltraum von No Man’s Sky, um Siedlungen der Community zu dokumentieren. Teile seiner Ergebnisse lassen sich auf seinem Blog archaeogaming.com nachlesen.
„Was auch immer Ubisoft vorhat: Ich hoffe, dass sie Historiker und Archäologen mit einspannen werden, die nicht nur als Berater für pädagogisch wertvolle Features wie den Museums-Modus eingesetzt werden, sondern auch beim Design von Quests und der Spielwelt insgesamt mitwirken.
AC: Origins und AC: Odyssey gelang weitestgehend der Spagat zwischen einer annehmbaren Darstellung der Antike und Spielspaß. Wenn Ubisoft das wieder hinkriegt, ohne aber Quests anzubieten, in denen wir Artefakte stehlen oder sonstwie als Grabräuber auftreten müssen, dann bekommen wir ein exzellentes Spiel vorgesetzt, das zudem auch ethische Werte vertritt.“
Andrew Reinhard spricht hier einen sehr spannenden Punkt an: Bisher erlaubte uns jedes Assassin’s Creed, antike Heiligtümer, Grabstätten und andere kultische Orte auszurauben und leerzuräumen.
Insbesondere im Fall von Assassin’s Creed: Odyssey und Origins stellte uns das allerdings immer wieder vor ein logisches Problem: In beiden Spielen sind die ProtagonistInnen eindeutig als ehrfürchtig vor den Göttern charakterisiert, die kultische Traditionen wahren und göttliche Strafen fürchten. Trotzdem können wir mit ihnen Gräber plündern und Heiligtümer um ihre Kostbarkeiten erleichtern. Ein reflektierter Umgang mit der Grabraub-Thematik würde Assassin’s Creed also auch in Hinblick auf die Logik der eigenen Spielwelt weiterbringen.
Dr. Jane Draycott
Dr. Jane Draycott unterrichtes Römische Geschichte und Archäologie an der Universität Glasgow und leitet dort außerdem das Forschungsprojekt „Games and Gaming Lab“, das historische Schauplätze und Geschichtsbilder in Videospielen dokumentiert und analysiert.
„Mit AC: Origins hat Ubisoft bereits meine kühnsten Träume wahr werden lassen (ich forsche über das griechisch-römische Ägypten), aber ich denke, dass das spätantike Konstantinopel bzw. Byzantium ein fantastisches Setting wäre — vielleicht während der Herrschaft von Kaiser Konstantin, als er das Christentum zur Staatsreligion des Römischen Reiches machte und die Hauptstadt von Rom nach Konstantinopel verlegte.
Da gab es damals eine Menge Konflikte innerhalb der kaiserlichen Familie, Aufstände von ‚Heiden‘ und politische Ränkespiele. Außerdem wird das östliche Kaiserreich und die Spätantike generell von Filmen und Serien eher stiefmütterlich behandelt. Schließlich würde dieses Setting eine schöne Brücke zu älteren AC-Spielen schlagen: So soll beispielsweise Kaiserin Helena nach Jerusalem gereist sein und einige Hinterlassenschaften von Jesus entdeckt haben.“
Während das nordische Setting laut Gerüchten eher gegen einen Ausflug ins spätantike Konstantinopel spricht, bin ich persönlich sehr angetan von der Vorstellung, wieder einmal in diese Stadt zurückzukehren. Klar, Konstantinopel war in der Welt von Assassin’s Creed schon mehrfach ein Schauplatz — nie aber während der Spätantike, die sich laut Jane Draycott als Zeitrahmen offenbar ganz wunderbar für ein neues Spiel der Reihe eignen würde.
Bob Whitaker
Bob Whitaker ist Professor für Geschichte an der Technischen Universität in Louisiana. Daneben spricht er in seinem Podcast „History Respawned“ regelmäßig mit ForscherInnen und ExpertInnen über Geschichtsbilder und Geschichtsrezeption in Videospielen, darunter Assassin’s Creed, Civilization und Crusader Kings.
„Ich muss sagen, dass mir das Setting des nächsten Assassin’s Creed — angeblich ja die nordische Welt — weder besonders aufregend noch besonders uninteressant erscheint. Ich denke, ganz grundsätzlich wünsche ich mir aber vor allem, dass das Spiel die Tradition aufrecht erhält, nach Release eine Discovery Tour anzubieten, wie es nun schon bei AC: Origins und AC: Odyssey der Fall war. Es ist wohl immer leicht, über die Darstellung von Geschichte in diesen Spielen zu meckern, aber die Discovery Tour gibt Ubisoft eine Möglichkeit, die schiere Menge an Arbeit und Recherche, die für diese Spiele notwendig war, mit den Fans zu teilen — und gleichzeitig interessierte Spieler über die wahren, historischen Begebenheiten dieser fiktiven Geschichten entdecken zu lassen.
Auf spielmechanischer Ebene freue ich mich sehr auf den Multiplayer. Die bisherigen Mehrspielermodi dieser Spieleserie erschienen mir spaßig und innovativ und ich hoffe, dass Ragnarok diese Tradition fortsetzen wird.“
Tatsächlich gehörte auch für mich die Discovery Tour zu den ganz großen Highlights der beiden letzten AC-Spiele — auch wenn die virtuellen Rundgänge in beiden Ablegern didaktisch eher vorsintflutlich organisiert waren: So kann der Spieler nur von Station zu Station laufen und dabei den Erzählungen eines Sprechers aus dem Off lauschen. Wirkliche Möglichkeiten zur Interaktion während dieser Rundführung gibt es nicht. Hier kann Ubisoft nachbessern und die Möglichkeiten des Mediums nutzen, um die Discovery Tour zu mehr als nur einem virtuellen Audioguide zu machen.